#Kopfkirmes

– Das Leben mit der Kopfkirmes –

Alltag

Eigentlich fängt ein Tag ja mit dem Aufstehen an. Ich möchte diesen Beitrag über meinen Alltag aber schon am Abend vorher beginnen. Mit dem, zum Teil sehr schwierigen, Einschlafen irgendwann Nachts.

Gedanken schwer wie Blei

Mit Depressionen ist es eh schon schwer eine gewisse Routine im Alltag zu finden. Wo andere Menschen schon fast eine penible & minutengenaue „Einschlafzeit“ haben, so ist das bei „Depressionisten“ ein bisschen anders. Da kann es schon eine „Routine“ sein, wenn man Abends irgendwann zwischen 21.00 Uhr und 00.00 Uhr zu Bett geht. Man hat es dann wenigstens ins Bett geschafft und ist nicht, wie so oft, auf dem Sofa versackt. Wenn dann aber noch sehr „laute“ Gedanken dazu kommen, wird das mit dem Schlafen zur richtigen Challenge. Tatsächlich fühlt es sich für mich mit solch „tonnenschweren“ Gedanken auch genauso an. Laut! Die „Gedankenmaschine“ will dann einfach nicht schweigen, sie hämmert einem unentwegt laut im Kopf herum und kommt, ganz egal wie sehr man versucht andere Gedanken zu finden, doch immer wieder auf sehr „destruktive“ Gedanken zurück (Bei mir persönlich auf arg selbstabwertende Gedankenzüge). Inzwischen habe ich einige „Skills“, mit denen ich versuche diese „Gedankenmaschine“ zu stoppen oder wenigstens etwas zu verlangsamen. Musik klappt eigentlich immer recht gut, dabei kann ich den Kopf abschalten und mich mal ein wenig von den schlechten Gedanken distanzieren. Eine Zeit lang habe ich es auch mal mit Entspannungsübungen probiert, in denen durch die Konzentration auf bestimmte Körperteile oder -funktionen das Denke auch recht zuverlässig „ausgeschaltet“ worden ist. Oder ich bin tatsächlich auch nochmals aufgestanden und habe (kleine) Aufgaben erledigt. Und wenn dieses „Skills“ nicht mehr geholfen habe, habe ich auf dem Tablet eben einen Streamingdienst mit irgendeiner Serie oder einen Stream bei Twitch angeschmissen. Das hat mich schon oft zuverlässig von der „Gedankenmaschine “ abgelenkt. Irgendwann ist man das so müde, dass man trotz des quäkenden Tablets eingeschlafen ist.

Und dann gibt es da die Tage, an denen das alles nicht hilft. Weder Musik, irgendwelche Entspannungsübungen noch die Ablenkung durchs Popocornkino. Das sind dann wirklich nervige Nächte. Weil man sich (wortwörtlich!) stundenlang von einer Seit auf die andere dreht, die Gedanken im Kopf nicht zum Schweigen bringen kann und Stunde um Stunde einfach nur noch hofft einzuschlafen. Vielleicht kennt ihr ja diese Phase, in der sich der gesamte Körper absolut müde & geschafft fühlt, sich nach Erholung sehnt, sie aber nicht bekommt weil der Kopf mit den superlauten Gedanken dem Ganzen im Wege steht. Und das geht dann bei mir oftmals die halbe Nacht, bis ich irgendwann völlig erschöpft einschlafe. Nicht selten bin ich dann mitten in der Nacht noch mal aufgestanden, hab mich vor den Computer oder die Glotze gepackt und bin dann dort in echt üblen Positionen eingeschlafen. Das nicht nur die Nächte auf dem Sofa oder vor dem Computer extrem unangenehm sind, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Auch dieses Einschlafen mit dem „Gedankenkarussell“ trägt nicht unbedingt zu einem erholsamen Schlaf bei. Nicht nur, dass der Schlaf dann sehr kurz ist (An solchen Tagen komme ich dann gerne mal auf nicht mehr als 4h Schlaf insgesamt), auch ist das Aufwachen nach solchen Nächten oftmals kein Spaß.

Morgens das selbe Spiel in Grün

Denn Morgens gehts dann gleich weiter. Ich habe festgestellt, dass ich nach solchen Nächten oftmals sehr „ruckartig“ aufwache. So gar nicht entspannt, gemütlich & „sanft“ wie es eigentlich sein sollte. Nein, oftmals mach ich die Augen auf und habe direkt schon wieder einen Gedanken im Kopf der einfach nur nervig & anstrengend ist. Dementsprechend schnell beeile ich mich dann natürlich auch aus dem Bett zu kommen. Ein gemütliches Aufwachen ist das nicht. Und oftmals bin ich dann Morgens auch so durch den Wind, dass ich mich sofort wieder vor die Glotze oder den Computer packe. Ablenkung, damit die „Gedankenkotze“ nicht Überhand nimmt. Erst dann gibt es einen Kaffee und vielleicht mal so etwas wie „Morgenroutine“. Es gab aber durchaus auch schon Tage, an denen ich es noch nicht mal geschafft habe einen Kaffee zu machen oder mich unter die Dusche zu packen. Das waren/sind dann solche Tage, an denen ich eigentlich nur auf dem Sofa/vor dem Computer/der Konsole „versumpfe“. Inzwischen versuche ich, auch wenn es an solchen Tagen extrem schwer fällt, zumindest das Mindeste am Morgen zu schaffen ohne mich dabei gleich z.B. mit der Glotze abzulenken. Heißt, ich stehe -egal wie schwer die Gedanken sind- auf, mache mir einen Kaffee (Handgefiltert FTW!), schmeiße meine Morgenroutine, gehe duschen und ziehe nicht die Gammelklamotten an, sondern schmeiße mich in die Alltagsklamotten (Ich habe festgestellt, dass das schon viel bei mir ausmacht). Dann vielleichr kurz die täglichen Nachrichten & Zeitungsartikel abchecken und einen Blick auf die „To-Do Zettel“ werfen (Auch hier aus eigener Erfahrung: Hilft oftmals, wenn man sich gewisse Aufgaben wie z.B. im Haushalt schon einige Tage vorher eingeplant hat und dann diese auch am entsprechende Tag angeht) und mit den ersten Aufgaben beginnen. Schon allein, um dem „Gedankenkarussell“ ein wenig den Schwung raus zu nehmen.

Das Gedankenkarussell betäuben

Leider kommt es noch immer vor, dass ich es grad vielleicht mal bis zum Duschen & Anziehen schaffe, aber dann schon wieder so sehr im Gedankenkarussell feststecke, das der restliche Tag eigentlich schon gelaufen ist. Nicht selten fange ich meine „To-Do Liste“ dann erst gar nicht an (oder mache es nur halbherzig) sondern versuche mich irgendwie von den hämmernden Gedanken abzulenken. Eventuell ist das nicht so leicht nachzuvollziehen. Wo es doch eigentlich „nur“ Gedanken sind. Ihr müsst Euch allerdings vorstellen, dass eben genau diese Gedanken (an manchen Tagen) so dermaßen mächtig sind, dass sie mich quasi auf keinen anderen Gedanken kommen lassen. An wirklich schlimmen Tagen, reißen diese Gedanken mich nur noch tiefer in den Sumpf aus Selbstvorwürfen, Hass auf mich selbst aber auch auf diese Gedanken und einer Art Hoffnungslosigkeit, die nicht besonders spaßig ist. Dies endet nicht selten dann in eine unglaublich ermüdende Lethargie, die einen -so unlogisch es klingt- tatsächlich auch körperlich müde macht. Wenn dann auch noch die Nacht vorher sehr kurz war, so ist es dann oft auch so, dass ich mich Nachmittags zwei oder drei Stunden hinlegen „muss“ da ich tatsächlich dann total K.O. bin. Genau deswegen versuche ich dann wohl häufig (bewusst unbewusst) dieses Gedankenkarussell zu betäuben. Das klappt recht zuverlässig, in dem ich stumpf an der Konsole zocke. Damit kann ich die Gedanken eine ganze Zeit „an die Seite“ schieben und bekomme an manchen Tagen dadurch sogar so etwas wie einen freien Kopf um mich -wenn auch später- um die anstehenden Aufgaben zu kümmern.

Abends ist dann häufig Ruhe

Und irgendwann kommt dann der Abend. Ich habe schon oft von anderen Betroffenen gehört, dass der Abends „am Schlimmsten“ sei. Weil da oftmals die Gedanken des Tage noch mal einen richtigen Tritt verpassen. Das kann ich für mich so nicht bestätigen. Im Gegenteil, bei mir ist es meisten am Abend etwas besser. Ich bin noch nicht genau dahinter gekommen, warum das so ist, habe aber eine Vermutung. Ich glaube, ich kann Abends einfach ein bisschen „runterfahren“, weil ich wieder einen Tag „geschafft“ habe. Scheinbar belohnt sich da mein Hirn gern selbst wenn es sich schon den restlichen Tag über jeden Mist Gedanken gemacht hat. Zumal ich Abends auch häufig die Energie finde, mich -zumindest über die diversen Messenger- bei Freunden & Bekannten zu melden. Da gibt dann in solchen depressiven Phasen durchaus auch nochmals einen kleinen Auftrieb. Noch dazu habe ich in den letzten Wochen/Monaten den Abend tatsächlich auch für mich genutzt. Musik hören, etwas lesen, Dinge im Netz recherchieren/lesen die mich tatsächlich auch interessieren. „Me-Time“ oder auch ganz einfach: Zeit für mich. Das ist viel wert. Meisten wird dann noch, dank Streaming, eine Folge einer Serie oder irgendeine Doku geschaut bis ich dann eine vernünftige Schlafenszeit erreicht habe. Mit viel Glück und einem einigermaßen guten Tag, kann ich auch ohne das lästige „Gedankenkarussell“einschlafen und komme auf meine 7 oder 8 Stunden Schlaf (Ja, ich brauch das tatsächlich. Bei mir ganz persönlich, hängt vom Schlaf verdammt viel vom Stimmungsbild am nächsten Tage ab).

Irgendwann startet dann ein neuer Tag. In letzter Zeit glücklicherweise mehr ohne lästiges Gedankenkarusell als wieder voller Gedanken. Aber auch die oben beschriebenen Tage sind noch da. Mal mehr, mal weniger. Aber genau das macht eben die ständige Achterbahnfahr auf der #Kopfkirmes aus.

Disclaimer:
Ja, ich weiß wie sich dieser Beitrag vielleicht auf den ersten Blick liest.
„Meine Güte, was ein faules Stück!„, „Der Typ lässt sich von irgendwelchen Gedanken so aus der Bahn werfen?! Soll sich nicht so anstellen!“ oder „Weniger denken, einfach machen!“ sind Dinge die ich nicht nur einmal gehört habe. Und es ist sogar okay wenn jemand dieser (ersten) Meinung ist. Denn genauso schwer wie es ist als Betroffener mit einer depressiven Phase umzugehen, so ist auch verdammt schwer einem „Nicht-Betroffenen“ davon ein Gefühl zu geben. Ich habe oben „frei von der Leber“ geschrieben und somit versucht vielleicht einen kleinen Einblick in meinen Alltag mit Depressionen zu geben. Seid Euch versichert, auch für mich ist das keine Party und es fühlt sich nicht besonders gut an, wenn man nicht so „funktioniert“ wie andere Menschen. Es ist kein Spaß, wenn das „Gedankenkarusell“ einem wirklich über Stunden festhält und sich schier endlos im Kreis dreht. Da findet man selbst nur schwer einen Ausweg. Ich sags mal so: Ich gönne dieses Gefühl meinem schlimmsten Feind nicht. Es ist nicht schön so zu sein. Auch wenn man /manchmal) meinen könnte, ich würde mich darauf ausruhen. Bei Weitem nicht. Ich hätte es am liebsten schon vorgestern geändert wenn ich könnte. ?

Seid also vielleicht etwas vorsichtiger bevor ihr in Zukunft jemand zu schnell „bewertet“. Man weiß nie genau, was genau dahinter steckt und vor allem, wie sich dieser Mensch selbst dabei fühlt. Fragt vorsichtig nach wenn Ihr wirklich interessiert seid. Seid nett zueinander & schaut auch mal hinter den ersten Eindruck. ?

Beitragsbild von Pexels auf Pixabay

Eine Antwort zu „Alltag“

  1. Avatar von Dan
    Dan

    Als Ergänzung in den Kommentare:
    Momentan hänge ich tatsächlich etwas zwischen den Stühlen. Ich habe viele gute, aber auch eine Handvoll schlechte Tage hinter mir. Ich grübel noch, woran das liegt. Nachdem März, April und auch Anfang Mai eigentlich recht gut waren.

    Den Artikel hatte ich tatsächlich aber schon ziemlich lange „auf Halde“ und bin jetzt erst dazu gekommen ihn fertigzustellen. Passte aber ganz gut in die momentane Zeit. So zwischen den Stühlen und so… ;)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.